Es werde Licht – Ein Gastkommentar eines angehenden Priesters
11. April 2017 / CNAdeutsch
von Phil Schulze-Dieckhoff
« Meine Priesterweihe ist eine Gnade »
28. April 2017 / CNAdeutsch
von Xandro Pachta
Manchmal fehlt nur ein kleines Lichtlein, aber wenn das angeht, dann sehen Sie auf einen Schlag das große Ganze in seinem Zusammenhang und in seiner inneren Ordnung. Denken Sie an eine Wanderung ohne Landkarte – sie wissen nicht, wo sie gerade stecken, ahnen aber, dass sie nicht ganz verloren sind. Und wenn Sie auf eine bestimmte Wegkreuzung stoßen oder einen bestimmten Baum wiedererkennen, wissen sie plötzlich: hier bin ich also! und der ganze zurückgelegte Weg kommt plötzlich in Ordnung.
Genauso geht es im Glauben. « Dieser eine Punkt », möchte man manchmal sagen, « hätte ich davon vorher gewusst, dann wäre alles anders gewesen ». Denn im Glauben geht es zu einem guten Teil ums Glaubenswissen. Um die Kenntnis davon, was wesentlich ist in unserer Beziehung mit Gott.
Für mich war so ein entscheidender Punkt: Jesus ist der Retter. Nicht dass ich vorher nicht daran geglaubt hätte. Doch eines Tages, ich war vielleicht 18, sagte mir eine Bekannte, dieses sei für sie der wichtigste Punkt im Leben – und sie hat mir ein Bild gemalt, wie Jesus die Brücke von den Menschen zu Gott hin schlägt. Und da habe ich verstanden, was ich vorher kaum geahnt hatte. Alles andere – Messe, Gebet, Kirche – erschien plötzlich in neuem Licht, wohlgeordnet an seinem Platz und hat sich mir neu erschlossen.
In meiner Pfarrei in Dijon habe ich zurzeit das Glück, ziemlich viel Katechismus-Unterricht geben zu können, in der Pfarre und auch in einigen Schulklassen. Das Schöne ist, dass die Kinder oft mit Vertrauen zuhören, weil sie vorher schon andere Priester und Katechisten kennengelernt haben. Wenn sie vertrauen, hören sie hin, passen auf. Und Schritt für Schritt, Woche für Woche, fassen sie ein Stück mehr von den vielen Aspekten des einen Glaubens. Und hier und da scheint durch, dass sie im Glauben schon zu einer echten Reife kommen.
Denn sie kommen vorwärts, immer weiter. Ihr Glaubenswissen wächst und damit auch ihr Verlangen nach dem Herrn. Und je mehr sie ernsthaft um Gott wissen, umso aufrichtiger wollen sie ihn auch empfangen und sich ihm hingeben.
Aber schreiten wir selbst eigentlich noch vorwärts im Glauben und im Glaubenswissen? Wir werden im restlichen Leben von Monat zu Monat schneller und geschickter. Seit dem letzten Handytausch bin ich zum Beispiel wieder einmal noch effizienter informiert als vorher. Auch unsere beruflichen Fähigkeiten gehen mit großen Schritten vorwärts.
Kommt denn das Glaubenswissen da eigentlich hinterher? Oft genug haben wir noch die Gottesbilder unserer Großeltern im Kopf oder im besten Falle aus unserer Erstkommunionvorbereitung. Es ist Zeit auch hier das Niveau anzupassen – jeden Tag aufs Neue. Wann habe ich das letzte Mal ein geistliches Buch in der Hand gehabt oder mich anders über den Glauben informiert? Gott verdient sicher, dass wir ihn auch mit dem Geist suchen, damit das Herz sich ganz für ihn öffnen kann.
Und auch als Kirche müssen wir uns, glaube ich, die Frage stellen: wo können Erwachsene heute ihren Glauben vertiefen, auf ganz einfache Weise? Wo kann jemand heute beten lernen – wo kann man erfahren, wie es um das Leben nach dem Tod bestellt ist – wo kann man lernen, wer Christus und was die Kirche ist? Es gibt natürlich im Internet eine weite Spanne von Angeboten. Dennoch sollten wir als Kirche sicherlich die Leute an der Basis nicht vergessen, in den Pfarren, den Schulen und Universitäten. Viele wollen mehr wissen und tiefer einsteigen in den Glauben.
Als Jugendlicher hatte ich das Glück, einen jungen Diakon in der Pfarre zu haben, der auf meine Fragen die passenden Antworten hatte. So konnte ich erst das Vertrauen fassen, dass es in der Kirche eine große Weisheit zu lernen gibt, in die man Schritt für Schritt einsteigen kann und die keinem Problem ausweicht.
Unsere Wanderung durch das Leben soll kein Marsch ohne Kompass sein. Der Weg des Glaubens hat seine Wegmarken, die wir erlernen können, damit die ganze Wanderung ihren Sinn ergibt. Dafür hat Gott sich offenbart.
Es ist also ein Ansuchen, eine Bitte. Ein Recht darauf, Priester zu werden, habe ich keines. Das verwundert erstmal. Müsste es nicht eigentlich andersrum sein? Mal abgesehen von der, für die Kirche unvorteilhaften, aktuellen Situation von Angebot (an willigen jungen Männern) und Nachfrage (der zu besetzenden Seelsorgestellen), ist der Priesterberuf ja generell mit großen Opfern verbunden, insbesondere dem Zölibat. Von daher wäre es doch angebracht, dass die Kirche mich demütig darum bittet mich weihen zu lassen… Man sieht schon, das kann nicht stimmen. Aber warum? Es gibt dafür zwei Gründe.
1. Jede Berufung – nicht nur die zum Priestertum – ist an sich schon eine völlig unverdiente Gnade, also ein « gnädiges » Geschenk Gottes.
Gott ruft wen er will, wann er will, wie er will. Wenn Gott eine Berufung schenkt, dann schenkt er einen Auftrag, eine Mission. Und wie im Berufsleben, kann man sich zwar eventuell für eine bestimmte Mission (etwa ein prestigeträchtiges Projekt) bewerben, aber ein Recht darauf besteht nicht. Nein, man nimmt die anvertraute Aufgabe dankbar entgegen. Eine Aufgabe ist nämlich immer eine Gabe, ein Geschenk: geschenktes Vertrauen, geschenkter Sinn. Wenn Gott eine Berufung und damit einen Auftrag schenkt, dann schenkt er mir damit nicht nur Vertrauen, sondern auch einen ganz konkreten Sinn für mein Leben. Mein Leben ist sinnvoll, weil ich einen ganz bestimmten Auftrag zu erfüllen habe. Und jeder Mensch hat von Gott her einen Auftrag den es zu finden und zu erfüllen gilt. In meinem Fall ist es der Auftrag als Priester Menschen zu Gott zu führen und ihnen Gottes barmherzige Liebe zu vermitteln.
2. Um Priester zu werden reicht es aber nicht, innerlich eine Berufung zu spüren.
Priester wird man durch die Priesterweihe, und die ist ein Sakrament. Und jedes Sakrament ist Gnade, also wieder etwas worauf ich kein Recht habe. Jedes Sakrament schenkt mir die Liebe Gottes. Und auf Liebe hat man kein Recht. Liebe verschenkt sich immer frei.
Im Fall des Priesters spricht das Zweite Vatikanische Konzil von der Hirtenliebe, also der Liebe Jesu des guten Hirten der sein Leben für seine Schafe hingibt. Und ohne diese Hirtenliebe kann ich meinen Auftrag unmöglich erfüllen. Ohne die Priesterweihe kann ich meinen innigen, von Gott mit der Berufung geschenkten Wunsch, Menschen zu Gott zu führen und ihnen seine barmherzige Liebe zu vermitteln, nicht erfüllen.
Da kann ich noch so begabt sein, noch so gläubig, noch so fromm: « Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts » (1 Kor 13,1-3).
Ganz konkret drückt sich diese Hirtenliebe Jesu dann natürlich in der Eucharistie aus, dem Sakrament der Lebenshingabe des guten Hirten, und in der sakramentalen Sündenvergebung, mit der das verlorene Schaf in die Geborgenheit zurück geführt wird. Und die Vollmacht dazu schenkt eben die Priesterweihe.